Warum werden Medikamente missbräuchlich eingenommen?

Auf psychologischer Ebene lassen sich fünf Hauptmotive identifizieren, die zu einem Missbrauch von Medikamenten bzw. zu einer Abhängigkeit führen:

Das häufigste Motiv für eine Medikamenteneinnahme ist der Wunsch, negative psychische Symptome wie Schmerzen, Schlafstörungen, Ängste oder Depressionen zu beseitigen.

Besonders bei Schmerzmitteln findet sich häufig eine Konstellation folgender Art: Die Betroffenen haben bereits längere Zeit psychische Probleme, die nichtadäquat behandelt wurden. Davon unabhängig entwickelt sich zum Beispiel durcheinen Unfall oder eine Krankheit ein Schmerzsyndrom, das mit Opiaten behandelt werden muss. Die stimmungsaufhellende Wirkung führt dazu, dass die Betroffenendiese Substanzen weiter einnehmen, unter Umständen auch dann noch, wenn die Schmerzen schon lange nicht mehr bestehen.

Ein dritter Hintergrund für die Einnahme von Medikamenten bezieht sich wiederum vor allem auf opiathaltige Schmerzmittel, insbesondere die nicht-retardierten Formen. Schnell anflutende opiathaltige Schmerzmittel (insbesondere Tropfendarreichung) führen zu einer leicht euphorisierenden Wirkung, ähnlich dem "Kick" bei Heroin. Diese Wirkung wird dann im Weiteren immer häufiger gesucht. Durch die leichte Injizierbarkeit besteht ein weiteres Missbrauchs-Risiko.

Amphetamine und frei verkäufliche Schmerzmittel - vor allem koffeinhaltige Mischpräparate - werden zur unmittelbaren Leistungssteigerung eingesetzt. Aber auch Monopräparate wie Paracetamol oder Acetylsalicylsäure führen bei manchen Anwenderinnen und Anwendern zu einem Gefühl von "klarem Kopf" und "vermehrter Leistungsfähigkeit".

Bei der indirekten Leistungssteigerung geht es darum, durch Medikamente abschalten zu können, zur Ruhe zu kommen, schlafen zu können, um trotz Anspannung und Überforderung am nächsten Tag wieder fit zu sein. Dies funktioniert vor allem mit den Schlaf- und Beruhigungsmitteln aus der Gruppe der Benzodiazepine und Non-Benzodiazepine, mit Barbituraten, aber auch mit den schlafanstoßenden Antidepressiva.

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Text: Prof. Dr. Gerd Glaeske, Dr. med. Rüdiger Holzbach, Daniela Boeschen