Nasentropfen und -sprays

Wie manche Laxanzien können auch bestimmte abschwellende Nasentropfen oder -sprays zu einer deutlichen physischen Abhängigkeit führen. Diese Gefahr droht vor allem bei der Anwendung von Nasentropfen oder -sprays mit Substanzen aus der Gruppe der direkt wirkenden Sympathomimetika (s. auch Abschnitt Ephedrin), die vor allem die Alpha-Adrenozeptoren in der Nasenschleimhaut stimulieren. Die jeweiligen Substanzen leiten sich vom Noradrenalin ab und führen zu einer Vasokonstriktion, also zu einer Gefäßverengung der Blutgefäße in der Nasenschleimhaut. Die Verengung führt letztlich zu einem Abschwellen der Schleimhaut mit dem Effekt, dass die Atmung durch die Nase wieder leichter fällt und die Sekretbildung in der Nase eingeschränkt wird.

Die Mittel wirken vor allem lokal an der Nasenschleimhaut und werden nur geringfügig ins Blut aufgenommen. Auf Dauer, wenn diese Mittel nämlich länger als fünf bis sieben Tage hintereinander angewendet werden, wird die Nasenschleimhaut allerdings "abhängig" von diesen abschwellenden Mitteln, es entsteht ein medikamentenbedingter "Schnupfen", der dann auch weiterhin die Verwendung abschwellender Nasentropfen oder -sprays erforderlich macht, um ungestört durch die Nase atmen zu können.

Es kommt zu einer so genannten Nasentropfen-Nase. Dabei bleiben die Blutgefäße in der Schleimhaut dauerhaft eng gestellt, die Schleimhaut beginnt zu schrumpfen und sondert kaum noch Sekret ab, sie trocknet aus. Die Folge: Die Nase wird anfällig für Viren und Bakterien, sie kann sich erneut entzünden. In einem fortgeschrittenen Stadium kann es durch diese Atrophie der Nasenschleimhaut zu einer so genannten Stinknase (Ozäna) kommen.

Die Mittel helfen dabei, dass die Nase und ebenso die Zugänge zu den Nebenhöhlen wieder frei werden. Dies verhindert, dass sich Krankheitserreger in den Zugängen zur Nebenhöhle oder in der Nebenhöhle selbst festsetzen können, weil der Schleim besser abfließen kann. Wenn die Mittel über längere Zeit und in höherer Dosierung eingenommen werden, kann es zu einer Blutdruckerhöhung und einer Pulsbeschleunigung kommen.

Für Säuglinge und Kleinkinder gibt es Präparate mit niedrigdosierten Wirkstoffen. Bei Säuglingen kann es bei verstopfter Nase zu einer Einschränkung beim Stillen oder Füttern kommen, da die notwendige Nasenatmung behindert ist.

Der regelmäßige Einsatz von Nasensprays oder Nasentropfen führt zu keiner Abhängigkeit im engeren Sinne. Die regelmäßige Einnahme von nasenschleimhautabschwellenden Mitteln über eine sinnvolle Akutbehandlung hinaus führt häufig zu einem Teufelskreis von Wirkverlust durch Gegenregulation und Dosissteigerung. Der Körper wirkt der Gefäßengstellung in der Nasenschleimhaut entgegen, die durch die Medikamente ausgelöst wurde. Der Körper spricht damit weniger auf das Medikament an, da lokale Faktoren durch Weitstellung der Gefäße versuchen, die normale Schleimhautdurchblutung wiederherzustellen. Bei längerer Anwendung bilden sich zusätzliche Blutgefäße aus bzw. kleinere Blutgefäße weiten sich aus, sodass die Betroffenen mehr abschwellende Mittel gebrauchen.

Werden Nasentropfen bzw. Nasensprays in erheblichem Umfang genommen, so können aufgrund der Minderdurchblutung der Nasenschleimhäute Entzündungen und Nekrosen resultieren. Auch eine systemische Wirkung durch Übergang in die Blutbahn sind mögliche Folgen.

Am Anfang des Entzugs von Nasensprays oder Nasentropfen steht die Aufklärung des Patienten über die Zusammenhänge im Sinne des oben beschriebenen Teufelskreis. Als Zweites geht es um die Bearbeitung der Ängste, "wenn die Nase zuschwillt". Eine HNO-Ärztin, ein HNO-Arzt sollte entscheiden, ob eventuell eine Nasenoperation (Beseitigung einer Nasenscheidewanddeviation, knöcherne Erweiterung) in Frage kommt. Ausgehend von einer festen Einnahmefrequenz des bisherigen Mittels erfolgt die Abdosierung über mindestens zwei Wochen Dauer durch den schrittweisen Umstieg auf schwächere Präparate (Erwachsenenpräparat, Kinder- und Jugendlichenpräparat, Kleinkindpräparat, Säuglingspräparat). Flankierende Maßnahmen können Inhalationen, bepantholhaltige Nasensalben und der Einsatz von Meerwasser-Sprays sein.

Größere Untersuchungen sind zu diesem Thema bisher nicht durchgeführt worden. In der Regel dürfte die Prognose aber vergleichsweise günstig sein.

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Text: Prof. Dr. Gerd Glaeske, Dr. med. Rüdiger Holzbach, Daniela Boeschen

Literaturempfehlung

Bundesapothekerkammer (BAK) (Hrsg.) (2008): Medikamente. Abhängigkeit und Missbrauch. Leitfaden für die apothekerliche Praxis. Berlin.

Stiftung Warentest (Hrsg.) (2011): Handbuch Rezeptfreie Medikamente. Alle wichtigen Präparate von Stiftung Warentest bewertet: Über 1900 Mittel für Sie bewertet. 4., aktualisierte Auflage. Berlin.

Mutschler, Ernst et al. (1997): Arzneimittelwirkungen. Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.