Ältere Menschen

Der Hauptgrund für ältere Menschen, Medikamente mit einem Abhängigkeitspotenzial zu nehmen, sind gestörter Schlaf oder Schlafstörungen: Bei körperlicher Gesundheit wird die benötigte Schlafdauer immer kürzer. 40-Jährige schlafen im Schnitt eine Stunde weniger als 20-Jährige; 60-Jährige nochmals eine halbe bis ganze Stunde weniger. Bei 80-Jährigen verkürzt sich der Schlaf um eine weitere halbe Stunde.

Hinzu kommt ein Mangel an Aufgaben und körperlicher Bewegung (die müde macht und Schlafdauer „produziert“), so dass sich ältere Menschen häufig aus Langeweile in den Schlaf flüchten.

Mit steigendem Alter steigt meist auch die Zahl der Erkrankungen und damit die Zahl der einzunehmenden Arzneimittel. Mehr als die Hälfte des Arzneimittelumsatzes der gesetzlichen Krankenversicherungen wird Versicherten ab 60 Jahren verschrieben. Diese bilden nur etwa ein Viertel aller Versicherten.

Die Verordnung ist bei älteren Menschen aus mehreren Gründen schwieriger als bei jüngeren:

  • Je mehr Medikamente aufgrund der verschiedenen (Alters-)Erkrankungen notwendig werden, umso schwieriger ist die Wechselwirkung zwischen den verschiedenen Substanzen zu beurteilen.
  • Es wird eine um ca. 10 % erniedrigte Dosis benötigt, u. a. da der Stoffwechselumsatz langsamer ist.
  • Aufgrund des geringeren Wassergehalts des Körpers ist das Verteilungsvolumen für die Medikation geringer.
  • Nebenwirkungen werden schneller einer Krankheit oder dem Alter zugeschrieben. So wird z. B. eine Überdosierung, die sich auch auf die Konzentrations- und Merkfähigkeit auswirkt, als Symptom einer (Alters-)Demenz angesehen.
  • Oft behandeln verschiedene (Fach-)Ärzte parallel, ohne dass die gesamte Medikation bekannt ist.

In hohem Alter steigt die Verordnung psychoaktiver Medikamente – insbesondere von Benzodiazepinen – stark an. Frauen sind hiervon überdurchschnittlich betroffen. Neuroleptika und Benzodiazepine wirken sich auf die motorische Koordinationsfähigkeit aus; schwerwiegende Probleme bei älteren Menschen mit hohem Psychopharmakagebrauch bestehen in einem erhöhten Sturzrisiko.

Der Konsum von Psychopharmaka ist bei Bewohnern von Alten- und Altenpflegeheimen überdurchschnittlich hoch. Dies wird häufig mit Mängeln in der Betreuung (z. B. Größe des Heims, personeller Ausstattung und Qualifikation sowie Arbeitsbelastung des Pflegepersonals) erklärt. Auf der anderen Seite besteht der hohe Medikamentenkonsum häufig bereits vor der Einweisung in die Pflegeeinrichtungen. So fand sich bei einer Untersuchung in Mannheimer Alters- und Pflegeheimen kein Zusammenhang zwischen dem Psychopharmakagebrauch und der (durchschnittlich etwa dreieinhalbjährigen) Verweildauer in den Heimen. Zum Zeitpunkt der Aufnahme hatten die Bewohner einen ähnlich hohen Psychopharmakagebrauch wie diejenigen, die bereits mehrere Jahre im Heim lebten.

Seiteninfo

Text: Dr. med. Rüdiger Holzbach, Karen Hartig

Literaturempfehlung

Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (Hrsg.) (2010): Medikamente - Sicher und sinnvoll gebrauchen. Hamm. (Informationen und Hilfen für ältere Menschen)

Havemann-Reinecke, Ursula; Weyerer, Siegfried; Fleischmann, Heribert (Hrsg.) (1998): Alkohol und Medikamente, Missbrauch und Abhängigkeit im Alter. Freiburg im Breisgau: Lambertus Verlag.

Psychotherapie im Alter, 9(2012), H. 2. Sonderheft zum Thema: Sucht im Alter.