Arzt und Patient

Niedergelassene Ärzte sind im Allgemeinen die ersten Ansprechpartner für die Patientinnen und Patienten mit substanzbezogenen Problemen. In der ärztlichen Praxis nehmen die Betroffenen vielleicht zum ersten Mal wahr, dass sie ein substanzbezogenes Problem haben, und machen dort eventuell die ersten Schritte, das Problem anzugehen. Von daher haben Ärztinnen und Ärzte eine besondere Verantwortung, um Patienten vor unerwünschten Wirkungen, Missbrauch und Abhängigkeit zu schützen.

Das beginnt mit einer korrekten Verordnung. Das heißt, jedes einzelne Rezept sollte sorgfältig erwogen und Alternativen, die gesundheitsverträglicher sind, bevorzugt werden. Die Patientinnen und Patienten haben das Recht, über das gesamte Spektrum der Behandlungsmöglichkeiten, über Nutzen und Risiken im Gespräch mit der Ärztin, dem Arzt informiert zu werden. Die Mediziner haben diese Aufklärungspflicht – auch wenn Patientinnen und Patienten nicht danach fragen. Die Entscheidung für einen Behandlungsplan und die Ziele der Behandlung werden gemeinsam getroffen.

In der Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte heißt es im § 7 Absatz 8: „Ärztinnen und Ärzte dürfen einer missbräuchlichen Verwendung ihrer Verschreibung keinen Vorschub leisten.“ Das tun sie aber, wenn sie beispielsweise ein Benzodiazepin verordnen, ohne dass eine Indikation gegeben ist. Oder ein Benzodiazepin bei gegebener Indikation immer weiter verschreiben bzw. nicht auf die Packungsgröße achten. Denn Benzodiazepine und ihre Analoga sind weder zur Langzeitanwendung zugelassen, noch werden sie von irgendeiner Leitlinie für eine Langzeitbehandlung empfohlen.

4-K-Regel

Die ärztliche Verantwortung beinhaltet also auch die fachkundige Begleitung im Verlauf der Einnahme: Die Ärztin, der Arzt sollte dafür Sorge tragen, dass Benzodiazepine so kurz wie möglich eingesetzt und so schnell wie möglich abgesetzt werden. Dabei kann die sogenannte 4-K-Regel helfen:

  • Klare Indikation
  • Kleinste notwendige Dosis
  • Kurze Anwendung (maximal 14 Tage)
  • Kein schlagartiges Absetzen

    Besteht ein Verdacht auf eine Medikamentenabhängigkeit, sollte die Ärztin, der Arzt den Patienten unmissverständlich vor den Risiken warnen. Fordert ein Patient weiterhin und wiederholt ein, dass ihn der Arzt beim Medikamentenmissbrauch oder Doping unterstützt, hat dieser das Recht, die Behandlung abzubrechen. Doch wie kann ein Behandler Zugang zu den Betroffenen bekommen? Hilfreich ist es, die Regeln einer motivierenden Gesprächsführung zu beachten. Motivierend für die Betroffenen kann es auch sein, wenn die Symptome durch den Wirkungsverlust der Medikamente betont werden (z.B. Schlaflosigkeit) – und weniger das Problem der Abhängigkeit. Eine Weigerung, ein Medikament zu verschreiben, können Patientinnen und Patienten eher akzeptieren, wenn Alternativen, wie Stressbewältigung, Entspannungstechniken, Psychotherapie, ernsthaft vermittelt werden.

    Zur Unterstützung ist es empfehlenswert, in der Arztpraxis eine Liste für Patienten zu erstellen mit Adressen von Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie und psychologischen Psychotherapeuten, mit Kursangeboten, Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen in der Umgebung. Eine Aufstellung seriöser Internetseiten kann diese Liste ergänzen.

    4k - Empfehlungen gegen die Abhängigkeit - Film 8 der Reihe Medikamente und Sucht

    Seiteninfo

    Text: Anke Nolte, Peter Raiser

    Literaturempfehlung

    Bundesärztekammer (Hrsg.) (2011): (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte - MBO-Ä 1997 - in der Fassung der Beschlüsse des 114. Deutschen Ärztetages 2011 in Kiel.
    Online Verfügbar

    Bundesärztekammer (Hrsg.) (2007): Medikamente - schädlicher Gebrauch und Abhängigkeit. Leitfaden für die ärztliche Praxis. Köln.

    Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (Hrsg.) (2013): Kurzintervention bei Patientinnen und Patienten mit problematische Medikamentenkonsum von Schlaf-, Schmerz- und Beruhigungsmitteln. Leitfaden für Ärztinnen und Ärzte. Manual zum Leitfaden für Ärztinnen und Ärzte.

    Poser, Wolfgang (2000): Arzt-Patient-Beziehung bei Medikamentenabhängigkeit und -missbrauch. In: Poehlke, Thomas et al. (Hrsg.): Suchtmedizinische Versorgung: Orientierung am Weiterbildungs-Curriculum der Bundesärztekammer. Bd. 3: Alkohol - Tabak - Medikamente. Springer, S. 303-312.

    Zentrale Ethikkommission (2009): Stellungnahme Doping und ärztliche Ethik.
    Online Verfügbar