Richtiger Umgang mit rezeptfreien Schmerzmitteln - Film 9 der Reihe Medikamente und Sucht
Bei leichten bis mäßig starken Schmerzen werden Mittel wie Paracetamol oder Acetylsalicylsäure empfohlen. Dies gilt ebenso für die Mittel wie Ibuprofen oder Naproxen (auch Diclofenac), die zwar als Antirheumatika klassifiziert werden, aber auch bei Schmerzen unterschiedlicher Ursachen in Frage kommen.
Im Hinblick auf die Magen-Darm-Belastung und die Auswirkungen auf die Blutgerinnung schneidet Ibuprofen am günstigsten ab. Bei der Einnahme von Mitteln mit Acetylsalicylsäure (vor allem in Aspirin® und ASS-Generika) muss auch im Vergleich zu Ibuprofen und Diclofenac mit stärkeren Magen-Darm-Belastungen sowie Blutungen allgemein gerechnet werden (daher z. B. bei Zahnschmerzen meiden, weil evtl. ein zahnärztlicher Eingriff notwendig wird, der zu Blutungen führen kann).
Paracetamol ist bei leichteren Schmerzen und fiebrigen Zuständen geeignet, Einschränkungen ergeben sich vor allem deshalb, weil das Mittel die Leber belastet. Bei Katerkopfschmerz ist daher Paracetamol weniger sinnvoll. Bei Menstruationsschmerzen werden vor allem Mittel mit Ibuprofen empfohlen.
Die Kombination verschiedener Schmerzmittel wirkt nicht besser schmerzstillend als ein Einzelmittel, eine nennenswerte Verstärkung der Wirkung ist nicht zu erwarten. Dagegen können sich allerdings die unerwünschten Wirkungen der jeweiligen Einzelwirkstoffe addieren, sodass das Risiko-Nutzen-Verhältnis gegenüber den Präparaten mit nur einem Wirkstoff schlechter ausfällt. Es gilt also das Motto "ein Wirkstoff reicht" - insbesondere in der Selbstmedikation mit nicht-verschreibungspflichtigen Mitteln.
Diese Kritik gilt auch und vor allem für Schmerzmittel, die neben den Schmerzwirkstoffen Acetylsalicylsäure und Paracetamol Koffein enthalten (z. B. in Thomapyrin Classic® und Thomapyrin® Intensiv). Da zudem nicht auszuschließen ist, dass solche koffeinhaltigen Schmerzmittel wegen der leicht psychisch anregenden Wirkung des Koffeins häufiger als notwendig eingenommen werden, liegt hier die Gefahr des Missbrauchs nahe.
Ein Dauergebrauch von Schmerzmitteln fördert im Übrigen die Gefahr der Entstehung von Kopfschmerzen durch Schmerzmittel. Möglicherweise senkt die regelmäßige Einnahme von Schmerzmitteln die Schwelle, ab der das Gehirn auf Schmerzen reagiert, und macht dadurch das Schmerzsystem überempfindlich. Ein medikamentenbedingter Dauerkopfschmerz kann schon dann auftreten, wenn pro Monat häufiger als an zehn Tagen Schmerzmittel eingenommen werden. Dies gilt auch und insbesondere im Zusammenhang mit koffeinhaltigen Schmerzmitteln, bei denen das Risiko einer häufigeren Einnahme höher erscheint als bei Mitteln mit nur einem Wirkstoff. Darüber hinaus besteht bei einem Dauergebrauch immer auch die Gefahr der Nierenschädigung.
1 % der Bevölkerung bzw. 5 bis 8 % aller Kopfschmerzpatienten betreiben einen Medikamenten-Missbrauch im Sinne einer zu hoch dosierten Eigentherapie bzw. einer zu häufigen Einnahme. Apothekenpflichtige Schmerzmittel führen zu keiner Abhängigkeit im engeren Sinne. Eine zu häufige Einnahme verursacht allerdings einen analgetikainduzierten Kopfschmerz. Als zu häufig wird die Einnahme an mehr als 15 Tagen eines Monats definiert. Analgetikainduzierter Kopfschmerz ist typischerweise ein dumpf-drückender Dauerkopfschmerz, der bereits beim Aufwachen besteht und sich durch körperliche Belastung verstärkt. Die Ursache dieser paradoxen Reaktion ist noch nicht abschließend untersucht.
Weitere mögliche Folgen sind das gesteigerte Blutungsrisiko (ASS), Magen-Darm- Beschwerden bis hin zu Ulcera (saure antiphlogistisch-antipyretische Analgetika, nicht-saure antipyretische Analgetika). Bei Überdosierung sind schwere Leberschäden bis hin zum Leberkoma möglich. Des Weiteren steht das Risiko der Schädigung des Urogenitalsystems mit erhöhtem Erkrankungsrisiko für Tumore der ableitenden Harnwege und Schädigungen des Nierenparenchyms. Bei 10 bis 15 % der Dialysepflichtigen geht die Nierenschädigung auf Schmerzmittel zurück.
Besonders Mischpräparate mit Koffein bergen ein Missbrauchsrisiko, weil sie nicht nur die Schmerzen reduzieren, sondern auch wach und klar machen, sodass die Betroffenen sich leistungsfähiger fühlen.
Der Entzug von apothekenpflichtigen Analgetika erfolgt schlagartig. Die dabei auftretenden Entzugserscheinungen sind unangenehm, aber nicht gefährlich. Typischerweise treten vermehrte Kopfschmerzen auf, aber auch Übelkeit, Brechreiz, Unruhe und Schlafstörungen können Symptome im Entzug sein. Die Entzugserscheinungen bestehen in der Regel nur über einige, maximal sieben bis zehn Tage. Eventuell ist eine Behandlung mit Antiemetika oder auch Infusionen notwendig.
Analgetikainduzierte Kopfschmerzen bilden sich zurück, sodass im Regelfall die Kopfschmerzhäufigkeit und Intensität geringer ist als vor dem Entzug. Als Alternativen sollten in Zukunft bei Kopfschmerzen Wärme oder Kühlung angewendet werden, Minzöle, Entspannungsverfahren, Bewegung an frischer Luft, Ablenkung, ausreichende Flüssigkeitszufuhr (Mindestmenge: 2,5 bis 3 Liter pro Tag). Wenn auf apothekenpflichtige Analgetika nicht komplett verzichtet werden kann, so sollte die Einnahmehäufigkeit nach dem Entzug unbedingt unter sechsmal pro Monat liegen.
Wenn die Patienten ausreichend über die Zusammenhänge zwischen regelmäßiger Schmerzmitteleinnahme und analgetikainduziertem Kopfschmerz aufgeklärt wurden, den Unterschied der Kopfschmerzfrequenz vor und nach Entzug spüren und ausreichend alternative Methoden kennengelernt haben, so ist die Prognose vergleichsweise günstig. Die Rückbildung von Nieren-, Magen- und Leberschädigungen hängt vom Ausmaß der Organschädigung ab.
Übersicht der nicht-rezeptpflichtigen Schmerzmittel, internationalen Freinamen
Internationaler Freiname | Handelspräparat |
---|---|
Acetylsalicylsäure | Acesal® |
Acetylsalicylsäure-Kombinationen exkl. Psycholeptika | Aspirin coffein/-forte® |
Acetylsalicylsäure-Kombinationen mit Psycholeptika | Silentan® |
Flupirtin | Awegal® |
Lysi n-Acetylsalicylat | Aspirin i.v® |
Metamizol-Natrium | Analgin® |
Nabiximols | Sativex® |
Nefopam | Ajan® |
Paracetamol | Abalon® |
Paracetamol-Kombinationen exkl. Psycholeptika | Alacetan® |
Paracetamol- Kombinationen mit Coffein | Azur Tabl.® |
Paracetamol-Kombinationen mit Psycholeptika | Paedisup K/S® |
Phenazon | Dentigoa N® |
Propyphenazon | Commotional 500® |
Propyphenazon-Kombinationen exkl. Psycholeptika | Optalidon N® |
Ziconotid | Prialt® |
Tabelle zuletzt Aktualisiert: Mai 2013 (Quelle: Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, 2013: Medikamentenabhängigkeit. Suchtmedizinische Reihe Band 5)
Andere nicht-rezeptpflichtige Mittel
Dextromethorphan
Der Wirkstoff Dextromethorphan wird manchmal in Assoziation zum Wirkstoff Morphingebracht, was ihm eine besondere Aufmerksamkeit verspricht, insbesonderebei Schülern und Jugendlichen. Dextromethorphan ist in der Tat ein Abkömmlingder Opioide, anders als diese jedoch nicht rezeptpflichtig. Dieser Wirkstoff soll nurein geringes Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial haben, er kann allerdingsin Überdosierung zur Euphorie, zu Rauscherlebnissen, zu Halluzinationen, zu Blutdruckabfall,zu Herzrasen und zu lebensbedrohlichen Atemdepressionen führen.In den USA, wo Dextromethorphan von Teenagern häufig missbraucht wird, ist vonfünf Todesfällen durch Überdosierungen berichtet worden. In Deutschland sind bislangkeine derartigen Folgen eines Dextromethorphan-Missbrauchs bekannt geworden.
Übersicht anderer nicht-rezeptpflichtiger Mittel, internationaler Freinamen und Handelspräparate
Internationaler Freiname | Handelspräparat |
---|---|
Dextromethorphan | Arpha® |
Dextromethorphan-Kombinationen | Cetebe antigrippal® |
Tabelle zuletzt Aktualisiert: Mai 2013 (Quelle: Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, 2013: Medikamentenabhängigkeit. Suchtmedizinische Reihe Band 5)
Seiteninfo
Text: Prof. Dr. Gerd Glaeske, Dr. med. Rüdiger Holzbach, Daniela Boeschen
Literaturempfehlung
Bundesapothekerkammer (BAK) (Hrsg.) (2008): Medikamente. Abhängigkeit und Missbrauch. Leitfaden für die apothekerliche Praxis. Berlin.
Stiftung Warentest (Hrsg.) (2011): Handbuch Rezeptfreie Medikamente. Alle wichtigen Präparate von Stiftung Warentest bewertet: Über 1900 Mittel für Sie bewertet. 4., aktualisierte Auflage. Berlin.