Das Abhängigkeitssyndrom nach ICD 10

Die Diagnose einer Medikamentenabhängigkeit wird gestellt, wenn während der letzten zwölf Monate drei oder mehr der folgenden sechs Kriterien gleichzeitig erfüllt waren:

  • Ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, das Medikament einzunehmen.
  • Verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge der Medikamenteneinnahme.
  • Ein körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion der Einnahme mit für das Medikament typischen Entzugssymptomen oder Einnahme anderer Mittel (z. B. andere Medikamente, Alkohol), um Entzugssymptome zu mildern oder zu vermeiden.
  • Wirkungsverlust und Toleranzentwicklung, so dass höhere Dosierungen erforderlich sind, um die ursprüngliche Wirkung hervorzurufen.
  • (Fortschreitende) Vernachlässigung anderer Interessen zugunsten der (ungestörten) Medikamenteneinnahme (Beispiel: Der Patient bleibt lieber Zuhause, als auszugehen) oder Vernachlässigung anderer Interessen wegen erhöhten Zeitaufwands, um die Substanz zu beschaffen (z. B. durch den Besuch verschiedener Ärzte) oder sich von den Folgen der Einnahme zu erholen.
  • Anhaltende Medikamenteneinnahme trotz Nachweises eindeutiger schädlicher Folgen.

Die Diagnose der Medikamentenabhängigkeit ist wegen der in der Regel kontrollierten Verschreibung (dadurch weder Dosissteigerung noch Absetzen mit Entzugserscheinungen) schwierig zu stellen und wird meist erst durch die Entzugserscheinungen beim Absetzen des Medikamentes deutlich. Behelfsweise wird deshalb von einer Niedrigdosisabhängigkeit gesprochen.

Seiteninfo

Text: Dr. med. Rüdiger Holzbach, Karen Hartig

Literaturempfehlung

Dilling, Horst; Mombour, Werner; Schmidt, Martin H. (Hrsg.) (2011): Internationale Klassifikation psychischer Störungen. ICD-10 Kapitel V (F). Klinisch-diagnostische Leitlinien. 8., überarb. Auflage. Bern: Huber.