Beratung

Ziel der Beratung ist in der Regel das Absetzen oder die Reduktion des Medikaments.

Notwendig ist immer eine Abklärung der Vor- und Nachteile. In bestimmten Fällen (z. B. Opiate oder Opioide im Rahmen einer Krebserkrankung) ist Absetzen oder Reduzieren nicht sinnvoll. In vielen Fällen bestehen Alternativen zum Medikamentenkonsum (z. B. Psychotherapie). Insbesondere bei gut behandelbaren Störungen sollte das Absetzen immer angestrebt werden. Dazu gehören z. B. Angsterkrankungen und Schlafstörungen.

Die Reduktion kann ein Zwischenziel sein und ist im Sinne von Schadensbegrenzung auf jeden Fall sinnvoll. Der überwiegende Anteil der Patientinnen und Patienten verfügt über eine geringe Motivation zu reduzieren oder abzusetzen. Die Beratung dient dazu, die entsprechende Bereitschaft zu fördern.

Folgendes Vorgehen ist sinnvoll

Erstens:

 

Bei fehlender Änderungsbereitschaft sind Vorschläge zum Absetzen oder Reduzieren wenig sinnvoll und führen eher zu Widerstand. Das Ziel besteht in diesem Fall darin, die Auseinandersetzung mit dem Thema zu erhöhen.

Eine bewährte Methode ist der Einsatz folgender Skala:

"Wie wichtig ist es Ihnen auf einer Skala von 0 bis 10, das Medikament abzusetzen, wenn 0 gar nicht und 10 sehr wichtig ist?"

Bei insgesamt geringer Bereitschaft zum Absetzen (Werte von 0 bis 5) alternativ die Bereitschaft zur Reduktion erheben:

"Wie wichtig ist es Ihnen auf einer Skala von 0 bis 10 Ihren Medikamentenkonsum zu reduzieren, wenn 0 gar nicht und 10 sehr wichtig ist?"

Als Alternative oder Ergänzung zur Wichtigkeitsskala bietet es sich an, angenehme und unangenehme Aspekte des Medikamentenkonsums zu explorieren.

Dabei können die Vorteile als Hindernisse der Verhaltensänderung angesehen werden und die Nachteile als mögliche Beweggründe zum Absetzen oder zur Reduktion. Das Vorgehen erfolgt in drei Schritten:

1. Exploration der Vorteile:

  • "Was sind einige der angenehmen Dinge, wenn Sie Medikamente nehmen?"
  • "Was gibt es noch, das Sie daran angenehm finden?"
    Fortsetzen, bis keine weiteren Aspekte genannt werden.

Es ist sinnvoll, die Vorteile zusammenzufassen. Beispiel: "Es gefällt Ihnen an den Medikamenten, dass Sie sich damit entspannen können. Sie schätzen es, dass Sie dadurch gegenüber Problemen gleichgültiger werden; es ist dann alles weniger belastend. Das Medikament hilft Ihnen auch, besser einzuschlafen."

2. Exploration der Nachteile:

  • "Was sind einige der weniger angenehmen Dinge am Medikamentenkonsum?"
  • "Was gibt es noch, das Sie daran weniger angenehm finden?"
    Fortsetzen, bis keine weiteren Aspekte genannt werden.

3. Vertiefen:
Die Vorteile und die Nachteile sollten zusammengefasst gegenübergestellt werden. Danach werden die negativen Aspekte mit einer Anschlussfrage vertieft:

  • "Was von den weniger angenehmen Seiten des Medikamentenkonsums beschäftigt Sie am meisten?"

Weitere mögliche Vertiefungsfragen:

  • "Was bedeutet das für Sie?"
  • "Wie sehr fühlen Sie sich dadurch belastet?"
  • "Was gehört dazu, wenn Sie es näher beschreiben?"
  • "Was ist damit noch verbunden?"

Zweitens:

Neben der Motivation ist weiterhin die Zuversicht in die eigene Fähigkeit, das Medikament abzusetzen oder zu reduzieren (Selbstwirksamkeitserwartung), unabdingbar für den Erfolg. Die Befragung erfolgt entsprechend den oben beschriebenen Skalen.

"Wie zuversichtlich sind Sie auf einer Skala von 0 bis 10, das Medikament abzusetzen, wenn 0 gar nicht sicher und 10 sehr sicher ist?"

Erneut erfolgen die drei weiter oben beschriebenen Schritte:

1. Zunächst gilt es, die Angaben wertzuschätzen (auch bei geringen Werten). Beispiel: "Sie sind noch nicht ganz überzeugt, dass Sie es schaffen können, aber es gibt Dinge, die Sie bestärken. Das ist ein guter Anfang."

2. Die vorhandenen Ressourcen werden durch die Frage erhoben: "Warum haben Sie x (z. B. die Fünf) gewählt und nicht y (z. B. die Drei)?" Durch Nachfragen ("Was hat noch dazu beigetragen, dass Sie x gewählt haben?") werden weitere Stärken exploriert.
Fortsetzen, bis keine weiteren Aspekte genannt werden.

3. Mögliche Hindernisse auf dem Weg zu einer höheren Zuversicht werden erfragt durch:

  • "Was müsste passieren, dass Sie von x (z. B. der Fünf) auf y (z. B. die Sieben) kommen?" Durch Nachfragen ("Was könnte noch dazu beigetragen, dass Sie y wählen?") werden weitere Hindernisse exploriert.
    Fortsetzen, bis keine weiteren Aspekte genannt werden.

Der Patient wird dann gebeten, Lösungsideen für die Hindernisse zu benennen. Es ist in jedem Fall günstiger, wenn der Patient diese selbst benennt oder entwickelt. Der Arzt kann jedoch bei Bedarf mögliche Lösungen anbieten.

Dabei sollte stets um Erlaubnis gefragt ("Möchten Sie, dass ich Ihnen Informationen zu ... gebe?") oder Bezug auf andere genommen werden ("Andere Patienten hat geholfen, wenn sie ..."). Im Anschluss wird die Patientin / der Patient gefragt: "Was denken Sie dazu?"
Fortsetzen, falls mehrere Hürden vorliegen.

Seiteninfo

Text: PD Dr. Hans-Jürgen Rumpf; Dr. Gallus Bischof; Prof. Dr. Ulrich John