Risiken in bestimmten Lebenslagen oder Situationen

Eine Tablette schlucken und die Symptome verschwinden – das ist verlockend. Man kann wieder ruhig schlafen, Ängste und Anspannung lösen sich, man fühlt sich wieder leistungsfähiger und das Leben erscheint wieder leichter zu bewältigen. Wir leben schließlich in einer Leistungsgesellschaft, in der die Menschen „funktionieren“ müssen. Und das nicht nur im Beruf, sondern auch im Privatleben.

Manche Arbeitnehmer schlucken Medikamente, um dem Stress am Arbeitsplatz standzuhalten. Nach einem harten Arbeitstag möchten sie zudem noch Kraft haben, um für die Familie da sein zu können. Andere Beschäftigte wiederum nehmen Arzneimittel, weil sie um ihren Job bangen und die Unsicherheit kaum aushalten. Frauen greifen eher zu Pillen, um ihre Stimmung zu verbessern, Männer tendieren zu anregenden Mitteln, um wach und leistungsfähig zu bleiben. Manche Schüler und Studierende probieren leistungssteigernde Mittel aus, weil ihr Lernpensum sie überfordert. Und nicht nur unter Spitzensportlern kommt Doping vor, auch Hobbysportler greifen zu Tabletten, um die körperliche Leistungsfähigkeit hochzuschrauben oder um muskulöser auszusehen.

Der Hauptgrund, warum ältere Menschen psychisch wirksame Medikamente schlucken, sind Schlafstörungen. Auffällig hoch ist der Konsum psychoaktiver Medikamente bei Bewohnern in Senioreneinrichtungen und Pflegeheimen. Das lässt sich zum Teil mit Mängeln in der Betreuung und Behandlung erklären. Auf der anderen Seite zeigen Untersuchungen, dass die Seniorinnen und Senioren die Psychopharmaka bereits schon vor der Einweisung eingenommen haben. Die mit zunehmendem Alter einhergehenden Beschwerden, aber auch die Verluste, die ältere und vor allem hochbetagte Menschen verkraften müssen, können Anlass sein, Arzneimittel einzunehmen. Eine Suchterkrankung kann zudem als Spätfolge einer nicht verarbeiteten Traumatisierung, etwa Kriegserfahrungen, interpretiert werden.

Auch schwere psychische Erkrankungen können hinter einem Medikamentenmissbrauch stecken: Menschen mit Essstörungen, die auf ihr Gewicht fixiert sind, helfen unter Umständen mit Medikamenten nach, um die Gewichtsabnahme zu beschleunigen. Menschen mit einer Alkohol- oder Opiatabhängigkeit nutzen Medikamente zum Beispiel, um Versorgungsengpässe zu überbrücken und um Entzugserscheinungen abzumildern.

In einer akuten Krise mag ein Arzneimittel für einen kurzen Zeitraum sinnvoll sein. Doch in all diesen Situationen ist die Gefahr groß, ein Medikament nicht bestimmungsgemäß zu verwenden: Das Mittel ist entweder für die jeweilige Anwendung, für einen längeren Zeitraum oder in einer höheren Dosierung nicht zugelassen. Das hat gute Gründe, denn ein solcher missbräuchlicher Konsum hat häufig eine Abhängigkeit mit psychischen und körperlichen Schäden zur Folge.

Medikamente lösen nicht die Ursachen der Beschwerden – etwa eine Krise in der Partnerschaft, ungünstige Arbeitsbedingungen, finanzielle Sorgen oder eine psychische Erkrankung. Es liegt an den Patientinnen und Patienten, sich diese Zusammenhänge genauer anzuschauen und nicht die gesamte Verantwortung für die Behandlung an die Ärzte abzugeben. Sie sollten in ihrem eigenen Interesse mit darauf achten, dass die Ärztin, der Arzt die Verschreibung sorgfältig überprüft und die 4K-Regel einhält (Klare Indikation, Korrekte Dosierung, Kurze Anwendung, Kein abruptes Absetzen). Letztlich geht es darum zu lernen, auch nach alternativen Bewältigungsstrategien zu suchen (Psychotherapie, Stressbewältigung etc.).

Seiteninfo

Text: Anke Nolte

Literaturempfehlung

DAK (2015): Gesundheitsreport 2015: "Update: Doping am Arbeitsplatz"
Online Verfügbar

Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (Hrsg.) (2014): Medikamenteneinnahme: Risiken vermeiden.
Online Verfügbar

Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (Hrsg.) (2013): Medikamente. Basisinformationen.
Online Verfügbar

Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) e.V. (Hrsg.) (2013): Alkohol, Medikamente, Tabak: Informationen für die Altenpflege.