Glucocorticoide, inhalativ und systemisch

Gelegentlich werden Glucocorticoide missbraucht, die in hohen Dosierungen euphorisierend wirken können. Insbesondere bei Patientinnen und Patienten, die Glucocorticoide dauerhaft anwenden müssen (z. B. bei Asthma, MS oder Rheumatoider Arthritis), werden ab und an besonders hohe Dosierungen beobachtet. Im Einzelfall dürfte es jedoch schwierig sein, zwischen einer Überdosierung zu unterscheiden, die aus Angst vor einer Krankheitsverschlechterung oder wegen der psychischen Wirkung vorgenommen wird. Bei Langzeitgebrauch sind insbesondere bei höheren Dosierungen schwere körperliche Schäden wie die Entstehung einer Osteoporose oder eines Diabetes denkbar.


Anabole Steroide

Anabole Steroide werden medizinisch bei allgemeiner Schwäche oder bei Muskelschwund eingesetzt. Sie werden jedoch auch missbräuchlich als Dopingmittel verwendet, vor allem in Fitnessstudios. Im Vordergrund stehen Bereiche wie Kraftsport und Bodybuilding, sowohl bei Spitzen- wie bei Breitensportlern. Die Anwendung solcher anabolen Steroide (z. B. Nandrolon oder Testosteron) steigert das Muskelwachstum und fördert damit die Leistungsfähigkeit im Kraftsport. Es wird immer wieder diskutiert, ob die dauernde Anwendung von anabolen Steroiden zu einer Abhängigkeit führen kann. Diese Überlegungen sind allerdings nach wie vor hypothetisch. Anabole Steroide werden vor allem von Männern missbraucht, um einen athletischen und muskulösen Körper zu formen. Frauen nutzen solche Mittel ab und an wegen der libidosteigernden Wirkung und der Intensivierung von Orgasmen. Bei Männern können die Mittel dagegen die Libido herabsetzen.


Clonidin

Clonidin wird als zentralwirkendes Mittel zur Senkung des zu hohen Blutdrucks eingesetzt und es kommt auch zur Linderung des Opioidentzugs in Frage. In Kombination mit anderen Suchtstoffen wurde in einzelnen Fällen auch ein Missbrauch mit diesem Mittel beschrieben.


Diuretika

Diuretika sind wasserausschwemmende und die Diurese fördernde Arzneimittel, die medizinisch vor allem zur Behandlung des hohen Blutdrucks und von Ödemen eingesetzt werden. Diuretika werden aber auch missbraucht, obwohl sie keinerlei zentral-psychische Wirkungen auslösen. Der Missbrauch findet vor allem in solchen Sportarten statt, in denen ein rascher Gewichtsverlust, z. B. zum Erreichen einer bestimmten Gewichtsklasse wie beim Boxen oder Ringen, angestrebt wird. Außerhalb des Sports wird ein Missbrauch durch Frauen beschrieben, die schnell abnehmen möchten, um eine bestimmte Konfektionsgröße zu erreichen.

Bei diesen missbräuchlichen Anwendungen werden auch Dosissteigerungen mit den entsprechenden Folgen beschrieben: Es kommt zu Wasserverlust und zum Verlust von lebenswichtigen Salzen (vor allem Kalium und Natrium). So führt z. B. ein starker Kaliumverlust u. a. zu Lähmungen (Paresen) der Muskulatur an Armen und Beinen. Nicht immer können Diuretika nach längerem Missbrauch ohne Weiteres abgesetzt werden, oftmals müssen sie in der Dosierung langsam reduziert werden ("ausschleichen").


Beta-Rezeptorenblocker

Beta-Rezeptorenblocker blockieren den natürlichen Angriffspunkt für Adrenalin bzw. Noradrenalin, ohne selbst einen Effekt auszulösen. Die kontraktionssteigernden und frequenzerhöhenden Eigenschaften von Noradrenalin am Herzen werden gehemmt, die Gefäße erweitern sich und der Blutdruck sinkt. Beta-Rezeptorenblocker werden auch bei akuten Angst- und Panikzuständen eingesetzt, obwohl sie in dieser Indikation nicht zugelassen sind. Die Substanz kann die Wirkung von "Adrenalinstößen" eindämmen, z. B. vor Operationen, vor öffentlichen Auftritten ("Lampenfieber") oder bei Flugangst. Herzrasen, starkes Herzklopfen und andere Symptome, die mit einem erhöhten Adrenalinspiegel einhergehen, werden gedämpft oder unterbleiben ganz. Daher werden Beta-Rezeptorenblocker auch von Politikern oder Sportlern (z. B. Autorennfahrern) missbraucht. Die Betroffenen lernen schnell die Möglichkeit zu schätzen, ihre Angst mit diesen Mitteln zu bekämpfen - auf Dauer kann aus dieser Anwendung auch ein Missbrauch entstehen.

Beta-Rezeptorblocker wirken akut gegen körperliche Symptome der Angst, wirken sich aber negativ auf eine obstruktive Lungenerkrankung, eine Herzinsuffizienz, Hypotonie, AV-Überleitungsstörungen und Bradykardien aus, aber auch ein bestehender Diabetes und periphere Durchblutungsstörungen können sich unter einer solchen Behandlung verschlechtern. Insbesondere bei höheren Dosierungen bzw. Überdosierungen können kardiale Probleme mit letalem Ausgang auftreten.

Beta-Rezeptorblocker sollten, egal aus welcher Indikation heraus gegeben, schrittweise ausgeschlichen werden, um eine gegenregulatorische Übererregbarkeit des Herz-Kreislaufsystems zu verhindern. Werden Beta-Rezeptorblocker ohne kardio-vaskuläre Indikation eingenommen, so können diese Effekte trotzdem auftreten. Neben Tachykardie und hypertonen Krisen können im Entzug Unruhe- bis hin zu Angstzuständen auftreten.

Die Prognose ist im Wesentlichen abhängig von der Prognose der Grunderkrankung bzw. der Symptome, die Anlass für die Einnahme waren. Bei entsprechender Aufklärung über die möglichen internistischen Folgen über die längere, zu hoch dosierte Einnahme wird die Prognose günstig sein, auch wenn Studien hierzu bisher fehlen.


Rezeptpflichtige Appetitzügler

Besonders viel diskutierte Mittel sind die rezeptpflichtigen Appetitzügler, die allesamt zentral stimulierend wirken. Diese Wirkung äußert sich in einer Steigerung der Konzentrationsfähigkeit, der Leistungs- und Entscheidungsbereitschaft, in der Reduktion des Appetits (wie übrigens alle psychostimulierend wirkenden Substanzen) sowie in der Unterdrückung von Müdigkeit. All diese Mittel können, wie die Psychostimulanzien Methylphenidat, Modafinil oder Fenetyllin, in höheren Dosierungen über längere Zeit eingenommen, zu psychischen Störungen und zur Abhängigkeit führen.

Die stimulierend wirkenden Arzneistoffe Amfepramon, Cathin und Phenylpropanolamin werden in der Apotheke noch immer als Appetitzügler angeboten. Für Cathin und Amfepramon war zeitweise (2001 bis 2004) die Zulassung außer Kraft gesetzt, weil Risiken wie lebensbedrohlicher Lungenhochdruck und bestimmte Herzklappenveränderungen aufgetreten waren. Außerdem, so hatte es schon damals in der offiziellen Bewertung der Mittel durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte geheißen, können diese Substanzen abhängig machen. Dennoch dürfen die Mittel nach erfolgreich ausgegangenen Herstellerklagen wieder auf dem Markt angeboten werden.

Dass Appetitzügler u.U. lebensgefährliche Mittel sein können, hat sich aktuell in Frankreich gezeigt. Dort wurde, trotz der bekannten Gefahren, das Mittel Mediator ® der Firma Servier (Wirkstoff Benfluorex) über so viele Jahre weiter vermarktet, dass nun etwa 500 Todesfälle wegen Herz-Kreislauf-Problemen beklagt werden.Wenn überhaupt, sollten Appetitzügler nur vier bis sechs Wochen eingenommen werden. Sie sind damit für eine üblicherweise länger andauernde Therapie des Übergewichts nicht geeignet. Auch das Ephedrin gehört in diese Gruppe. Es ist allerdings nur noch in Kombinationspräparaten auf dem Markt, im Internet aber wird es weiter ohne Rezept angeboten.


Clomethiazol

Clomethiazol wird immer noch in der ambulanten Versorgung im Rahmen einer ambulanten Entzugstherapie bei Alkoholabhängigkeit eingesetzt, oft aber auch als Schlafmittel für ältere Menschen. Dabei wird übersehen, dass Clomethiazol ein eigenes ausgeprägtes Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial hat, das dann dazu führen kann, dass die Alkoholabhängigkeit zu einer Clomethiazol-Abhängigkeit oder zu einer gemischten Alkohol-Clomethiazol-Abhängigkeit wird. Die Anwendung von Clomethiazol sollte daher dem stationären Entzug vorbehalten bleiben, eine Anwendung von Clomethiazol in der ambulanten Versorgung gilt als problematisch und obsolet.

Seiteninfo

Text: Prof. Dr. Gerd Glaeske, Dr. med. Rüdiger Holzbach, Daniela Boeschen

Literaturempfehlung

Mutschler, Ernst et al. (2008): Arzneimittelwirkungen. Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.

AKB – Arzneimittelkursbuch 2010/2011 (2010). Fakten und Vergleiche für 17.000 Medikamente. Berlin: Arzneimittel-Verlags-GmbH.

Poser, Wolfgang; Poser, Sigrid (1996): Medikamente - Missbrauch und Abhängigkeit. Entstehung - Verlauf - Behandlung. Stuttgart: Thieme.

Glaeske, Gerd; Günther, Judith; Keller, Sabine (1997): Nebenwirkung Sucht: Medikamente, die abhängig machen. München: Kunstmann.

Apotheke adhoc: Benfluorex: Fatale Nebenwirkungen. APOTHEKE ADHOC/dpa, 16.11.2010. Internet: www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/nachricht-detail/benfluorex-fatale-nebenwirkungen/, Zugriff: 07.12.2012 

Glaeske, Gerd (2011): Medikamente - Psychotrope und andere Arzneimittel mit Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial. In: Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (Hrsg.): Jahrbuch Sucht 2011. Geesthacht: Neuland. 73-96.